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Mein erstes Picknick (24. 06. 2019)

Brief an meinen Bruder Theodor Fontane

 

Mein lieber und hochgeschätzter Bruder Theodor!

Ich möchte Dir eine angenehme Botschaft übermitteln. Stell Dir vor, am 1. Juni habe ich mein erstes Picknick - Dir zu Ehren - in meinem Geburtsort Mühlberg gegeben! An einem wahrhaft idyllischem Ort, dem Kreuzgang des Klosters Marienstern. Er schenkte uns eine grüne Wiese für die Picknickdecken, spendete Schatten an diesem sonnenverwöhnten Tag und bescherte uns illustre Gäste aus dem Ort und den Weiten Brandenburgs. Vorzüglich klangen Harfen- und Gitarrenklänge, zum Besten gegeben von Herrn Daun und einem jungen Künstler namens Laurenz Hoppe. Es lag so ein Zauber voller Entspannung, Poesie und Musik in der Luft. Zwei Damen aus Potsdam und Leipzig rezitierten, dass es Dir eine Freude gewesen wäre. Frau Dr. Berndt bewies ein ausgesprochenes Gespür für die Historie der Region und Frau Wilhelm animierte die Zuhörer zum Mittun bei Deinem Gedicht von John Maynard. Ihre Kunst nennt  sich Poetry Slam. Hast Du je davon gehört? Es soll aus Chicago kommen und ein Dichterwettstreit sein. Mich inspirierte es sofort, ich sah Dich mit Paul Heyse auf einer Bühne stehen, entflammt im gegenseitigen Duell von Prosa und Lyrik! Wie spannend und außergewöhnlich!

In den Gängen des Klosters boten Händler ihre Waren an. Köstliche Torteletts, Brottorte, Wein und Suppe. Ich sah Glasfedern und Kalligrafiekunst, soviel schöngeistige Dinge vor klösterlicher Kulisse. Und die ganze Zeit über durfte ich die Picknickgäste unterhalten und auch etwas über mich erzählen. Zugegeben, viel ist nicht zu finden von Deiner kleinen Schwester, man weiß oft nicht mal, dass es mich gab. Aber im Taufregister der evangelischen Frauenkirche Mühlberg findet sich der entscheidende Beweis. Ich möchte hier nicht allzuviel preisgeben über unsere Familienbande und meine Recherchen. Schließlich liegen noch mehr Picknicks im Land zwischen Elbe und Elster vor mir. Theodor, ich glaube, dieser Landstrich ist in Deinem Buch „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ ein bisschen zu kurz gekommen,  gestatte mir diese kleine Kritik. Aber ich fühle mich hier wie in einem unentdeckten Land, das nur darauf wartet, entdeckt zu werden.

Aus deinem Roman „Unterm Birnbaum“ gab ich zwischendurch eine angemessene Kostprobe. Du wirst es nicht glauben, aber da kam doch tatsächlich ein Gärtner Alois und pflanzte mit uns ein Birnbäumchen! Er kannte anscheinend Herrn Ribbeck zu Ribbeck gut, seine Rezitation lies darauf schließen.

Ach, was für ein gemütlicher Nachmittag. Eine Dame bot mir selbstgebackenen Streuselkuchen an, da konnte ich natürlich nicht „Nein“ sagen. Wie köstlich ...

Theodor, glaub mir, da hast Du was verpasst. So entspannte Menschen, die einfach nur den Nachmittag genossen. Und das alles wegen Deinem Jubiläum, sie scheinen Dich und Deine Kunst gut in Erinnerung zu haben. Unsere alte Apotheke wollten noch zahlreiche Gäste sehen, der Apotheker Herr Dr. Stenger öffnete freundlicherweise seine Tür für uns und wusste so einiges über das Haus zu berichten. Eine Frau Pharmazierat erfreute die Besucher mit einem Gläschen selbstgebrannten Brombeerlikör. Sehr charmant von ihr. Am Haus entdeckten wir gemeinsam meine Tafel. Du liest richtig, Bruderherz, eine Tafel nur für mich! Kannst stolz sein auf dein Lischen, wenn man sich hier an mich erinnert und von meinem Leben und geistigen Schaffen erzählt.

Unser kleiner Spaziergang endete im Museum „Mühlberg1547“, die Ausstellung über die Stadt im 19. Jahrhundert, also zu Deinen Lebzeiten, war Dir und Deinem Jubiläum gewidmet. Höchst erfreulich, zumal auch ich dabei bedacht wurde.

Die Zeit eilt, das nächste Picknick wartet auf mich. Ich werde weiter auf deinen Spuren wandeln. Solltest Du wiedermal meine Hilfe brauchen, lass es mich wissen. Grüß den Paul Heyse und die anderen Poeten von mir.

 

Deine Dich verehrende (und schlaue) Schwester Elise

Sommer des Jahres 2019  in der Mark Brandenburg

 

Fotos: Andreas Franke/Landkreis Elbe-Elster

 



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